| 1998 | Translation by Inge Goodwin
Der erste Versuch einer (verbalen) Annäherung wirkt fast ein wenig kläglich: Ihre Bilder sind monochrom. Das sagt alles und wenig, ganz abgesehen davon ist die Sensation, die einmal mit dem Begriff verbunden gewesen war, längst verflogen. So (monochrom) zu arbeiten gehört allerspätestens seit den 50er Jahren zu den Standards des malerischen Ausdrucks im 20. Jahrhundert und ist mittlerweile so vielsagend wie abstrakt oder gegenständlich. Setzungen wie diese erhalten erst ihren Sinn im Zusammenhang mit einem entsprechenden Konzept, und im Sinne eines vielstrapazierten Allgemeinplatzes ließe sich sagen,- es kommt nicht darauf an, was man macht sondern darauf an wie man etwas macht und welcher Sinn darin liegt. Also nochmals: Ihre Bilder sind monochrom; wie macht sie das?
Ende der 80er Jahre bildete sich heraus, was die Malerei von Ines Hock zum Teil noch heute ausmacht: Aus mehreren Schichten aufgebaute, massive Flächen, die mit einer eindeutigen Malbewegung erstellt sind. In der Horizontale wurde die Farbmasse über die Leinwand gezogen. Anfangs war das noch Acryl, dann wurde die Ölfarbe immer wichtiger. Dieser lapidare, fast ein wenig sture Gestus war leicht gekrümmt wie der Ausschnitt einer überdimensionalen Langspielplatte; zu sehen war eine imaginäre Kreisbewegung, die der malende Arm gleichsam verinnerlicht hatte. Eine besondere Vorliebe für Hochformate, die heute noch besteht, war zu dieser Zeit besonders auffallend, da die gekrümmte Horizontale gegen das Format gesetzt wurde. Die Farbmasse wirkte dadurch wie aus einem großen Kontinuum auf das Format geschnitten. Die Materialität ging mit der modellierten Konkretion eines Farbtons, der in mehreren Schichten gesetzt war, eine schöne, diesseitige Allianz ein. Die Farbe stand im Raum, vor der Wand!
Ab etwa 1994 beginnt für Ines Hock eine leichte Akzentverschiebung. Die Farbe wird weiterhin gebaut, doch der Ton summiert sich aus mehreren differenzierten Schichten. Die konkrete Eindeutigkeit, die dem Betrachter bislang entgegentrat, weicht jetzt einer schönen Verunklärung. Die leicht gebogene Horizontale verliert sich immer häufiger zu Gunsten eines Gewebes aus horizontalen und vertikalen Schichten. Die Farbe steht nicht mehr, sie schwebt, ganz abgesehen davon, daß in die mit Leinöl gesättigten oder lasierenden Schichten gelegentlich ein Glanz kommt, der den Farbton weiter entrückt. Doch soll hier keinesfalls eine Gewinn-Verlustrechnung aufgestellt werden, es geht um Veränderungen, deren Zuwächse andere Qualitäten in den Hintergrund drängen, die produktive Verunsicherung etwa schluckt die gute, sichere Konkretion. Die Bilder tragen noch immer die gleiche genaue Handschrift, doch jetzt macht sich zum Beispiel in einer roten Arbeit unter der Oberfläche ein kälteres Konzentrat bemerkbar, überhaupt bilden tiefer liegende Schichten zuweilen Farbfelder, die trotzdem in den monochromen Appellcharakter eingehen.
Solche ‚Bilder‘ (der Begriff ist zwar auf der einen Seite obsolet, steht aber trotzdem noch für das Tafelbild, für Malerei schlechthin), solche Arbeiten verlangen vom Betrachter eine ganz andere Sehhaltung. Nun ist grundsätzlich bei farbkonzentrierter Malerei wie die von Ines Hock, sei es die der modellierenden Konkretion oder die der summierenden Monochromie,ein forschendes Schauen erforderlich, das der reizüberflutete Zeitgenosse nicht immer aufbringt, doch bei den Arbeiten bis ca. 1994 war das eher ein punktuelles Sehen. Zwar gab es auch in den sanft gebogenen Horizontalen Nuancen zu entdecken, die durch Licht und Schatten immer neu waren, aber der Farbton war da, die Malbewegung eindeutig; das Material erregte zuerst das Blut und dann das Gehirn (was keine Hierachie des Sehens meint). Bei den Farbschichtenbildern tritt dagegen die Kategorie der Zeit ganz anders in den Vordergrund. Das ist nicht allein die Dauer des betrachtenden Forschens, sondern vielmehr die dadurch vermittelte Zeit im Bild. Hier drückt sich im übrigen keine Besonderheit der (neuen) Bilder von Ines Hock aus; der natürliche Abstand der Sehweisen zwischen den Arbeiten vor und nach 1994 – der hier vielleicht etwas überdeutlich markiert wurde, denn eine absolute Trennwand der beiden Verfahrensweisen gibt es ohnehin nicht -, dieser Abstand ähnelt dem zwischen Primamalerei und (summierender) Schichtenmalerei ganz allgemein. Auch wenn die ‚einfarbigen‘ Bilder der Frühzeit sich selbstverständlich in Schichten materialisierten, so kommt mit dem sammelnden Aufbau durch verschiedenfarbige Lagen (das sind statt vorher bis zu 10, jetzt meistens mehr als 20) die andere Zeit in das Werk, oder um es mit einer Titelfindung von Gerd Schütte zu sagen, „Die Langsamkeit der Bilder“ wird entscheidend.
Da Ines Hock ziemlich genau protokolliert, wie ihre Bilder wachsen, kann man sehr schön nachvollziehen, was im Laufe eines halben Jahres geschieht. Da ist zum Beispiel eine Arbeit, die 1994 entstand, also zu Beginn der intensiven Farbsummenbilder. Es ist ein ‚typisches‘ Hochformat, fertiggestellt, das heißt mit einer letzten Lage abschließend versiegelt, am 28. September 1994. Die Farberscheinung wäre als Blauviolett notwendig ungenau (aber ausreichend) zu beschreiben.Angefangen wurde am 1.3. 94 mit Indisch Gelb, das bis zum 1.4. (verschiedene Schichten und Trockenphasen liegen dazwischen) weiter gebaut wird. Am 14.4. kommt Grün (mit Leinöl gelöst) hinzu. Am 19.4. Rosa und am 28.4. eine dunkle Mischung aus Orange, Permanentgrün und Indigo. Der Zustand wird am 6.5. durch Krapplack und Kobalt (beide hell) stabilisiert, am 17.5. kommt Weißgelb darüber. Am 25.5. wird eine grüne Lasur und am 6.6. eine rosa Lasur eingerieben. Dann bleibt die Arbeit ca. zwei Monate liegen, und am 18.8. beginnt in drei Lagen der abschliessende Aufbau mit Ultramarinviolett, Weiß, Phtalogrün, Kobaltblau und Ultramarinrot bis eben zum 28.9.1994. Nun ist diese Enstehungsgeschichte nicht identisch mit dem durch den Betrachter nachvollziehbaren Zeiterlebnis vor dem Bild, aber: Die Farbe wächst! und das ist durchaus mental nachvollziebar. Der materiale Appell (Das Blut…) müßte nach dieser Aufzählung größer sein, doch durch Lasieren und Einreiben, durch komplementäre Kontrastlagen wird die materiale Monochromie gefressen zu Gunsten der schwebenden (ebenfalls monochromen) Summen, deren Triumph das Quentchen Ungenauigkeit ist, das sich in die vielschichtige Erscheinungsweise der Farbe gelegt hat.
Die Zeit im Bild, die hier durch ein Bildertagebuch, das Ines Hock auf einer Art Karteikarte fürs Archiv notiert hat, unmittelbar greifbar wurde, kann auch in den Raum gehen; das heißt, statt der Zeiterfahrung, die dem Betrachter aus der Arbeit entgegenkommt, statt der Zeit, der Raum. Nun ist Ines Hock primär Malerin, deren Arbeit in einem ganz klassichen Sinne auf das Tafelbild gerichtet ist, doch zuweilen macht sie nicht nur Ausflüge zu anderen Techniken, etwa auf dem Papier, was ohnehin in natürlicher Nähe zum Tafelbild liegt, gelegentlich begibt sie sich in den Raum, bringt ihre Malerei vor Ort an die Wand oder im Fall, der jetzt relevant wird, an die Decke. Die „Moltkerei“ in Köln (an der Moltkestraße gelegen, woraus sich die witzige Kompression ergibt) ist eine Örtlichkeit, wo primär die Performance zu Hause ist. Manchmal wird dort auch mit Malerei gearbeitet, die Installationen haben sich allerdings den ephemeren Gepflogenheiten des Hauses anzupassen. 1996 erarbeitete sich Ines Hock dort eine Wand-, bzw. Deckenarbeit, die ihr Verfahren der Schichtenmalerei in die Fläche ausbreitete. Formal ergab sich eine Abfolge schmaler Streifen durch die Spiegelung der Holzbohlen des Fußbodens. Diese Deckenstreifen legten unsysthematisch Dunkelbraun, Dunkelblau, Gelb, Ocker und Lachsorange nebeneinander. Zu sehen war auf der Decke also eine Abfolge schmaler, mit den Sättigungswegen des Pinsels an- und abschwellender, um nicht zu sagen, fließender Farbfelder. Die korrespondierten nicht nur in Bezug auf die Laufrichtung mit den charaktervollen Bohlen, denn übereinander gelegt in einem langwierigen Malprozeß hätten diese Farben als Summe in etwa den (uneindeutigen) Ton des rotbraunen Fußbodens ergeben. Der Betrachter, der das Glück hatte während der 14 kurzen Tage diese Installation in der Moltkerei zu betreten, befand sich sozusagen mitten in einem Gemälde, zu Füßen eine mögliche Summe, über den Köpfen die gefühlvoll zurechtgelegten Streifen, die die Schichtung als Zeit noch nicht erfahren haben.
Monochromie wird zu einem Modell, sie ist anwesend als Möglichkeit, als Distanz zwischen Köpfen und Füßen. Die Malerei macht eine Vorgabe, der Betrachter kann sie nutzen und im sehenden Nachvollzug der klassischen Tafelbilder als wissende Erfahrung weiterverwenden.