colorlight – graphicmoments
20. März 2015
Zur Ausstellung von Ines Hock im BLICKWINKEL.
Ines Hock ist geboren in Wetzlar, aufgewachsen in Hannover, hat studiert in Mainz, in
Tuscon, Arizona und Düsseldorf. Sie hat viele Jahre in Köln gelebt und ist mit der
dorUgen Kunstszene eng vernetzt. Preise und SUpendien haben ihr Arbeiten seit den
80er Jahren gefördert, groß ist die Zahl der Ausstellungen (siehe Vita).
Eine wunderbare Einzelausstellung im letzten Jahr in der Villa Zanders in Bergisch-
Gladbach gab den letzten Anstoß, ihre Arbeiten ausführlich auch hier in Frechen zu
zeigen. Schließlich lebt Ines Hock mit ihrem Mann Peter Hochscheid, ebenfalls
Künstler, seit 2001 in Frechen und ist hier als Künstlerin noch wenig öffentlich
wahrgenommen worden.
Der Titel, colorlight – graphicmoments, benennt gleich den Haupt-Akteur unserer
Ausstellung: die Farbe. Und beim Gang durch diese Räume ist das auch sofort
ersichtlich.
Nun hat man es immer mit Farbe zu tun, wenn es um Malerei geht. Und gerade auch
in der nicht abbildenden, nicht gegenständlichen Malerei. Hier ist die Farbe nicht nur
ein Miael, sondern ein wesentlicher Bildgegenstand. Aber auch hier kann die Farbe
sehr verschiedene FunkUonen übernehmen.
Wir kennen die gesUschen Werke des abstrakten Expressionismus und der
informellen Malerei, die mit Farben seelische Prozesse sichtbar machen,
wir kennen vielleicht auch die großen Leinwände von Barnea Newman, die uns durch
einheitliche Farbflächen das Erhabene an sich vermiaeln, oder die vielschichUgen
Farbüberlagerungen von Marc Rothko, die einen Zugang zu spirituellen Erfahrungen
schaffen können.
Ines Hocks Zugriff ist – so viel sie von solchen Meistern der Farbe auch gelernt haben
mag – zunächst wesentlich sachlicher. Sie erforscht die Möglichkeiten von Farbe mit
scheinbar einfachsten Miaeln. Und tut dabei ein ganzes Spektrum auf – und damit ist
nicht nur im wörtlichen Sinn das Spektrum des Sonnenlichts gemeint.
Ich möchte mit Ihnen dieses forschende Malen und Zeichnen von Ines Hock anhand
der hier zu sehenden Arbeiten genauer in den Blick nehmen.
Zunächst: Wie bringt Ines Hock die Farbe auf die Fläche? In kleinsten Einheiten. Als
kurze Linie oder kleinen Pinselstrich. Und das in zahlloser Wiederholung. Von links
oben angefangen, Zeile für Zeile. Korrekturen ausgeschlossen. Ein strenges Konzept
steht am Anfang, darin ist vieles festgelegt: der Malgrund, der SUe, der Pinsel, die
1Farben, die Farbpaleae. Was aber im Laufe der Durchführung dieser
Versuchsanordnung entsteht, ist nur in Teilen geplant und vorhergesehen.
Denn jede Setzung ergibt sich aus einer neuen Entscheidung über den Gebrauch der
Miael und in jede Entscheidung fließt das, was schon entstanden ist, mit ein. Das
Konzept wird nicht mechanisch umgesetzt, es gibt nur den Rahmen vor, innerhalb
dessen das Spiel der Farben seinen Lauf nehmen darf. So entstehen schwebende
Strukturen mit feinen Rhythmen von Helligkeiten und dunklen Akzenten, von
Farbverwandtschaeen und Farbkontrasten, von Parallelen, die sich zu verUkalen
Einheiten bündeln und wieder auflösen.
Ein besonderer Untersuchungsschwerpunkt von Ines Hock gilt dem Verhältnis von
Farbe und Linie. In einigen Arbeiten, in den drei leuchten Aquarellen im
Eingangsbereich und im Ölgemälde an der letzten Wand, sind die Farben mit der
ganzen Pinselbreite in klar unterschiedenen Farbformen, die bereits selbst
Flächencharakter haben, auf den Untergrund gesetzt. In dem großen Teil der Werke
aber sind es feinste Linien oder Pinselstriche, die erst durch ihre Nähe zueinander,
ihre Dichte und auch durch den Abstand beim Betrachten zusammenhängende Farb-
und Formkomplexe bilden. Dabei entstehen licht- und luedurchtränkte Bildräume,
die, wie hier in der großen und der kleinen Aquarellzeichnung, (Klavier, Heizung)
Monet’sche Seerosen oder überhaupt impressionisUsche Landschaeen in Erinnerung
rufen. Verantwortlich für „Licht“ und „Lue“ ist das genau bemessene Maß an
Freiraum, an Untergrund und Zwischenraum für die einzelnen minimalen Linien- und
Farbelemente. Die Leerstellen sind genauso wichUg für das Ganze wie die besetzten
Stellen. Feinste ModulaUonen dieser Verhältnisse tarieren das An- und Abschwellen
der Farb- und Lichtwerte aus. Ich kann mir im Moment kein beeindruckenderes
Beispiel vorstellen für den berühmten Satz des Aristoteles „Das Ganze ist mehr als die
Summe seiner Teile“.
Farbe zu Farbe. Schier unbegrenzt sind die Versuchsanordnungen, mit denen Ines
Hock die gegenseiUge Beeinflussung der Farben, also die ‚Nachbarschaeen‘ der
Farben erkundet. Was Josef Albers in den strengen Serien seines Werks „InteracUon
of Color“ erarbeitet, das ganz auf das Quadrat abgestellt ist, setzt Ines Hock
sozusagen mit leichter Hand und in spielerischer Freiheit fort. Suchen Sie in einer
Aquarellzeichnung Elemente von gleichem Farbwert, gleicher Intensität und Helligkeit
und beobachten Sie, wie verschieden die Wirkung, sagen wir besser Anmutung
jeweils ist, je nach der farbigen Umgebung. Oder lassen sie die Farbklänge auf sich
wirken, die von der Serie der malerisch gestalteten Monotypien im letzten Raum oder
von der vierteiligen Arbeit „A Thousand Splendid Colors“ im zweiten Raum ausgehen.
Jedes Blaa erschaq mit wenigen Farben ungekannte Räume und Atmosphären, jedes
rührt eine andere Seite in uns an.
2Im zweiten Raum sind einige Werke zusammengestellt, die – außer den erwähnten
Monotypien – ausschließlich mit der feinen Linie arbeiten und zudem das strenge
Prinzip des quasi schreibenden Arbeitens in Linien und Zeilen von links nach rechts
verlassen. In diesen Zeichnungen wird nur der BleisAf verwendet, diesmal in einer
kreisförmigen Bewegung, die von einer ersten Setzung miaen im Blaa ausgeht und
sich zu immer weiteren Bögen entwickelt, die an strudelndes Wasser erinnern. Der
Kontrast zu den Bläaern, die quasi schreibend in geraden Zeilen entstehen, macht
deutlich, wie entscheidend die Wahl eines spezifischen Beginns für die Entwicklung
einer Arbeit und für ihr Ende ist. Die Spirale auf den genannten Bläaern wirkt wie ein
Ausschnia aus einer sich ins Endlose fortsetzenden TäUgkeit.
Das Phänomen der Zeit, der im Arbeiten nicht etwa vergehenden, sondern produkUv
eingesetzten Zeit, ist in diesen Bläaern ablesbar. Ich glaube, sie hat für uns beim
Betrachten eine wohltuende Wirkung, weil wir sie als erfüllte Zeit erleben können.
Erstaunlich ist auch der Farbreichtum, den diese eigentlich einfarbigen Bläaer
aufweisen. Auch bei den Radierungen im gleichen Raum ist das zu beobachten. Der
feine Strich der BleisUezeichnung auf weichem Papier wird fast noch übertroffen von
den feinen Linien, die die Radierungen (im zweiten Raum, und hier) aufweisen. Ines
Hock gräbt die Linien mit der Radiernadel direkt in die Kupferplaae (kalte Nadel), mit
der gleichen KonzentraUon und Beharrlichkeit wie sie mit dem BleisUe arbeitet. Die
Farbnuancen der Grautöne, die im Abdruck entstehen, ist durch Nuancen des
Plaaentons, also der Farbreste, die auf der blank gewischten Kupferplaae an den
Stegen haeen geblieben sind, noch vielfälUger.
Besonders reizvoll sind die Varianten von ein und derselben Plaae mit verschiedenen
Farben, die frei und experimenUerfreudig aufgetragen werden. Bei den
Farbradierungen hier im Raum. Hier sind Farbe und Strich in getrennten
Arbeitsgängen entstanden und verbinden sich zu schwerelosen, schwebenden
Gebilden, die wie Fenster den Blick in heitere Sphären öffnen. Die jüngste Radierung
in Grün ist erst vor wenigen Tagen aus der Druckpresse gekommen. Der Titel unsere
Ausstellung, graphic moments, bezeichnet besonders den flüchUgen Moment, in dem
die fließenden Farben mit dem Papier in Berührung kommen und dann im Druck
festgehaltenen werden.
Ihnen ist sicher aufgefallen, in welcher Vielfalt Ines Hock ihr künstlerisches Tun zu
immer neuen Entdeckungen vorantreibt. Wir haben die Aquarelle betrachtet, die –
besonders in den drei Bläaern im ersten Raum – eine strahlende Leuchtkrae
ensalten. Von den Zeichnungen und Radierungen mit ihrer Farbfülle trotz aller
RedukUon war gerade die Rede. Auch die Monotypien haben wir erwähnt, ohne die
Besonderheiten dieser Technik zu erwähnen. Hier wird ebenfalls sehr flüssige Ölfarbe
auf den Druckstock aufgetragen. Dieser besteht aus einer grundierten Faserplaae,
die nicht graphisch bearbeitet ist. So kommen hier die malerischen Qualitäten der
Farbe, ihre Verläufe, Überlagerungen und Durchmischungen besonders frei zum
Tragen.
Beim Hereinkommen sind Ihnen sicher die ersten Arbeiten von Ines Hock schon ins
Auge gefallen. In den letzten Tagen hat sie farbige Folien an den Scheiben der Fenster
und Türen angebracht, die das Haupahema der Ausstellung, Farbe und Licht, sofort
3sinnfällig machen. Am Tag fällt das Sonnenlicht von außen in die Räume und lässt die
farbigen Flächen aufleuchten. Abends dringt das Licht der Lampen durch die
transparenten Felder nach außen und verwandelt unser Haus in eine Art Lampion.
Hier muss ich auf große Werke von Ines Hock hinweisen, die hier gar nicht gezeigt
werden könnten. Sie sind als Farbraumarbeiten entstanden, etwa für die evangelische
Kirche in Radevormwald (2008), für Schloss Benrath (2012), oder den Commerzbank-
Tower in Frankfurt (2009). Farbe und Licht und Raum kommen hier zu einem wahren
Schauspiel zusammen und verwandeln die Architektur und die Menschen in ihr.
Im Schaufenster hängt eine kleine Scheibe, die von der Firma Derix, Taunusstein, in
handwerklicher PerfekUon mit handgeblasenem goUschem Glas nach Ines Hocks
Plänen angeferUgt wurde. Sie führt uns ihre Kunst noch einmal in allen Faceaen vor
Augen. Da sind die kleinen Elemente, – in ähnlicher Grundform, – in einfacher
Reihung, – in feinsten Farbabstufungen, – auf kleiner Fläche zusammengeführt und
ensalten doch ein ästheUsches Feuerwerk, vor allem morgens zwischen 8 und 10 Uhr
bei klarem Himmel.
Obwohl dieses Glas von Handwerkern gemacht wurde, zeigt es deutlich die
Besonderheiten des Arbeitens von Ines Hock. Sie müssen nur beobachten, wie die
Rechteckformen variieren, wie die Abstände zwischen den Elementen größer oder
kleiner sind, wie unterschiedlich die Glasstärken gewählt sind. Ines Hock entscheidet
sich jeweils für ein klares Konzept, aber die Ausführung ist geprägt vom prakUschen
Tun von Hand und Kopf, das nie mit Lineal oder Zirkel vor sich geht.
– Der Druck, die Ruhe oder Unruhe der Hand, die den SUe führt, oder den Pinsel oder
die Schere, – die Weichheit oder Härte des Materials, das den Untergrund bildet, –
die Flüssigkeit oder Trockenheit der Farbe, – all das erweitert ständig das gewählte
Konzept ohne es zu sprengen. Es öffnet sich vielmehr für eine unbegrenzte Fülle von
Entdeckungen und Erfahrungen.
Durch diesen wesentlichen körperlichem und sinnlichem Einsatz pulsiert in den
Arbeiten die lebendige Energie des Forschens und Schaffens.
Dass wir beim Betrachten der Ergebnisse von dieser Energie fasziniert sind, kann man
uns nicht verdenken. Vielleicht würde Ines Hock als Ziel ihrer Arbeit nicht angeben,
dass sie die Betrachter glücklich machen will. Aber sie hat sicher nichts dagegen,
wenn so ein Glück als Nebenprodukt für uns abfällt.
Kunstwissenschaelerin Dr. Jenny Graf-Bicher